Zeitungsartikel: Einzelkampf statt Teamgefühl
Julia Schroth vom Sicherheitsdienst Baron vermisst, worauf sie sonst ihr Augenmerk legt: Veranstaltungen
Sie sorgen für einen kontrollierten Einlass beim „Zeltival", fischen Crowdsurfer aus dem Bühnengraben beim „Knock Out Festival" oder sichern das Gelände bei „Das Fest" ab. So wie die Künstler ihre Zuschauer und Zuhörer brauchen, brauchen die Veranstalter wiederum Sicherheit. Das geht alles Hand in Hand", sagt Julia Schroth, die für das Sicherheitsunternehmen ,,Baron Sicherheit & Service" (BSS) aus Linkenheim-Hochstetten arbeitet. Der 74 Mitarbeiter starke Familienbetrieb wird von ihrem Partner Udo Baron geführt. Dass der Sicherheitsdienst ein Männerclub ist, sei ein typisches Vorurteil, erklärt Schroth im Gespräch. Von den 25 BSS-Festangestellten sind immerhin 15 Frauen. Einige von ihnen haben an der Fotoserie „Kulturgesichter" von Niklas Braun und Sascha Kauert teilgenommen, so auch die 27-jährige Karlsruherin.
Als sie 2014 einen Nebenjob suchte, sei sie über eine Freundin zu BSS gekommen, die selbst auch dort arbeitet. „Es ist gar nicht so schwierig, wie man sich das von außen vorstellt und auch Frauen sind in dem Job ganz wichtig", erklärt sie. Beispielsweise müssen Einlasskontrollen bei Veranstaltungen stets gleichgeschlechtlich durchgeführt werden. Natürlich gebe es auch Aufträge, bei denen der Kunde speziell eine Frau oder einen Mann anfordere, ansonsten seien die Teams gemischt. „Gerade, wenn man auf Streife geht, wie beim Knock Out Festival in der Schwarzwaldhalle. merkt man schnell, ob die gegenüberstehende Person sich mit ihrem Anliegen lieber einem Mann oder einer Frau zuwendet. Deshalb ist es in solchen Fällen wichtig, dass beide dabei sind", stellt Schroth klar. In manchen Situationen könne eine Frau sogar deeskalierender auf streitende Parteien wirken, als ein Mann. Der Respekt gegenüber weiblichen Security-Mitarbeitern sei aber genauso groß wie gegenüber den männlichen. „Klar, man muss schon ein bisschen taff sein und sich bei den Männern durchsetzen können, bei Kollegen wie Veranstaltungsbesuchern." Um in den verschiedensten Situationen spontan angemessen reagieren zu können, brauche es außerdem Feinfühligkeit. Auch reden zu können sei eine der wichtigsten Qualitäten einer Sicherheitskraft. Unter dem Jahr habe man deshalb regelmäßig Kommunikationstraining. Kurse zur Selbstverteidigung gehören ebenfalls dazu. Aufgrund von Corona musste jedoch vieles in diesem Jahr ausfallen.
Voraussetzung für den Job sei aber zunächst der Erwerb eines Sicherheitsscheines nach §34a der Gewerbeordnung. „Dazu zählt Sachkundeunterricht über Waffen, Datenschutz, BGB und ganz viele andere Gesetze, die man lernen und kennen muss", zählt die Sicherheitsfrau auf. Bei der IHK legte sie dann eine schriftliche und mündliche Prüfung ab und erhielt ihre Bescheinigung. Diese sei für viele Veranstaltungen erforderlich.
Wenn Julia Schroth über Veranstaltungen spricht, klingt in ihrer Stimme eine gewisse Sehnsucht mit. Da die Firma darauf spezialisiert sei, habe sie das Veranstaltungsverbot hart getroffen. „Durch den Wegfall der gewohnten Veranstaltungen gab es teilweise nicht genug Arbeit, sodass manche nicht auf ihre Stunden gekommen sind, die man braucht um den Lebensunterhalt zu finanzieren", erzählt Schroth. Im Winter hätten sonst Indoorfestivals und Termine, wie das Jahresabschlusskonzert von Max Giesinger im Tollhaus oder auch der Schutz von Weihnachtsmärkten angestanden. Im Sommer hieß es bereits Alternativen Schaffen, von der Autokinokonzert-Betreuung bis zu Zugangskontrollen an Baggerseen. „Das Beste daran war, dass man immerhin mal wieder mit mehreren Kollegen zusammengearbeitet hat. Die Menge an Terminen kam natürlich nicht ansatzweise an einen normalen Sommer heran. Der Winter sieht jetzt genauso aus", sagt sie.
Derzeit fokussiert man sich auf die Koordinierung von Ein- und Ausfahrt bei Parkhäusern, Aufstockung der Streifenteams beim Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) oder Fiebermesskontrollen an Firmeneingängen. Doch die Einsätze fühlen sich für die Security-Mitarbeiterin wie Einzelkämpferjobs an. Es komme einfach kein Teamgefühl auf, dabei sei das so wichtig: „Wir hatten in den letzten Jahren Veranstaltungen, wie das Musikfestival „World Club Dome" in Frankfurt. Da fährt man dann mit 20 bis 30 Kollegen hin, zeltet gemeinsam und geht tagsüber zu den Konzerten arbeiten. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Das fällt dieses Jahr einfach komplett weg."
Julia Schroth arbeitet hauptberuflich beim KOD in Karlsruhe und sieht ihren nebenberuflichen Security-Job unter normalen Umständen als Ausgleich: „Es ist so vielseitig und man erlebt einiges! Es gibt ganz unterschiedliche Veranstaltungen, deshalb ist jeder Tag anders. Und das Wichtigste: Man arbeitet immer mit Menschen zusammen." Vom Künstler über den Veranstalter und Konzertbesucher bis zum Kollegen ist es das Schönste für Julia Schroth, diese vielen verschiedenen Charaktere kennenzulernen.
© BNN, Elisa Walker